Das Buch des Monats - Kommentiert von Michael Schneider

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Michael Schneider
 

Lobgesang der Erde.

Zur kosmischen Dimension der Liturgie. Eine Skizze.

Edition Cardo; Bd. 122,  Köln 2004  ISBN 3-936835-06-3  Preis: 6.50 €

 

In der neueren philosophischen Ästhetik geht es vor allem auch um die Frage nach der »Wahrheit« der Kunst.»Schönheit ist eine Weise, wie Wahrheit west«, heißt es bei Martin Heidegger. Er und sein Kritiker Theodor W.Adorno interpretieren die Kunst als einen ausgezeichneten oder sogar als den ausschließlichen Ort der »Offenbarung « von Wahrheit (Heidegger) und »Versöhnung« (Adorno). Während Ernst Bloch die Kunst als »Vor-Schein« des Kommenden auslegt, versteht sie der Philosoph Adorno als »das Versprechen des Glücks, das gebrochen wird«; er siedelt die Kunst »im Garten Gethsemane« an, weil die »Passion« ein zentrales Thema jeder Ästhetik darstellt. Der im Garten Gethsemane leidende Jesus von Nazareth ist kein »Kunstwerk« - weder eine klassische Statue des leidenden Menschen noch ein Werk atonaler Musik -, sondern ein konkreter Mensch aus Fleisch und Blut, der von den anderen verlassen wird und in die äußerste Zerreißprobe des Vertrauens und der Todesangst gerät. Der »Schönste unter den Menschenkindern« (vgl. Ps 45,3) hat eben »keine schöne und edle Gestalt« (vgl. Jes 53,2). So gehört die christliche Ästhetik, wie Erich Przywara betont, zwischen »Viehtrog« und »Kreuz-Galgen«. Die grundsätzliche Frage an die Ästhetik lautet: »Zerbricht nicht das Ereignis der Kreuzigung Christi in radikaler Weise das Spiel der Kunst mit Gott?« (E. Schlink) Das Evangelium Jesu Christi fordert von sich aus weder eine sakrale noch eine schöne Ästhetik, wie auch die Sakramente keine ästhetischen Größen darstellen, die im rein Sakralen oder Ästhetischen anzusiedeln sind.

 

Aufgabe einer theologischen Ästhetik wird es sein, Jesus als das »Ur-Sakrament« allen Heils darzustellen - nicht eines Stils oder einer Kunstperiode, sondern in der Gestalt eines an das Ende gebrachten Menschenlebens. Das Scheitern des Lebens Jesu in Leid und Tod führt weder zu einer Ästhetik des »schönen Scheins« noch zu einer Poesie des Verstummens (vgl. S. Becketts »desecration of silence«), vielmehr zum Paradigma des »Bruchs« bzw. »Durchbruchs«. Auf einen am Kreuz Aufgehängten paßt kein ästhetisch schönes Kunstwerk und kein feierliches, konzertantes Hochamt. Der Transitus vom Kreuz zur Auferstehung erhält in den Sakramenten, besonders in der Feier der Eucharistie, eine unverwechselbare Prägnanz, denn in der ästhetischen Größe ihrer liturgischen Feier hält sich die zerreißende Spannung des glanzvollen »resurrexit tertia die« und des dunklen »mortuus et sepultus« durch. Gewiß, das Kreuz bedeutet die Infragestellung der Kunst; dies nimmt aber der Kunst und den ihr eigenen vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten keineswegs die Aufgabe bzw. Möglichkeit, »ein Mittel zum Lobpreis Gottes und seiner Erlösungstat am Menschen zu sein; ebenso wenig, wie das Kreuz Christi der Natur die Schönheit genommen hat, ihren Schöpfer zu loben« (R.H. Wallau).