Im Monat März 2014

Das Buch des Monats - Kommentiert von Michael Schneider

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Michael Schneider

Zur Reifungsgeschichte des Glaubens in den Lebensaltern
Edition Cardo Bd. 66   ISBN 3-933001-63-3   Köln 2001   Preis: 8.00 Euro
 

Weil das Leben des Glaubens im allgemeinen wie auch das geistliche Leben im engeren Sinn als die umfassende Deutung des menschlichen Daseins angesehen werden, sind alle Einzelerfahrungen, und wären es die geringfügigsten, in diese Deutung mit einzubeziehen. Wahrer »Gottesdienst« meint den glaubwürdigen, in allem auf Gott hin transparenten Glaubensvollzug im Lebensalltag: Schon das »Glas Wasser« (vgl. Mt 10,42), in Liebe und innerer Hingabe gegeben, gereicht beim Letzten Gericht zum Heil. Vielleicht war es ein Schwachpunkt der überkommenen Spiritualität, daß sie zu sehr die heroischen Handlungen bedachte, ohne die authentischen, aus dem Glauben gestalteten Grundhaltungen im kleinen zu fördern. Wer treu ist im kleinen, wird in das Himmelreich eintreten. Franz von Sales schreibt hierzu: »Es gibt Menschen, die in ewiger Sehnsucht sich nach der Sternenhöhe

der Vollkommenheit verzehren. Wie töricht! ... Wir verlangen manchmal so sehr, Engel zu sein, daß wir darüber vergessen, gute Menschen zu sein. Wenn du die kleinen Gelegenheiten mit Liebe benutzest, wirst du Gottes Herz erobern, es dir ganz zu eigen machen. Jene täglichen Liebeswerke, jener Schnupfen, jenes Kopfweh, jene Zurücksetzung, jene wunderliche Laune deines Mannes, deiner Frau, ein zerbrochenes Glas, ein verlorener Handschuh, die kleine Ungemächlichkeit, etwas früher schlafen zu gehen und früher aufzustehen, wenn du zur Kirche gehen sollst, kurz, alle derartigen geringfügigen Beschwernisse mit Liebe aufgenommen und umfangen, gefallen Gott in hohem Maße. Wie groß ist doch die Torheit derer, die sich nach einer Marterkrone in Indien sehnen und sich gar nicht sonderlich angelegen sein lassen, ihre Standespflichten zu erfüllen! Mag eine Person Wunder wirken im Gebiet der Religion - wenn sie ihre Pflicht im Alltag nicht tut, ist sie schlechter, als wenn sie ungläubig wäre.«

Es bedarf einer Spiritualität der kleinen Schritte und Vollzüge, die als solche von allen Christen zu erfüllen sind. Ein kontemplativer Lebensstil im dargelegten Sinn ist ein ganzheitlicher Vollzug, der alle Lebensbereiche des Glaubens umfaßt und deren Integration anstrebt. Dies bedeutet für unsere Fragestellung, daß es in der Ausformung des eigenen Glaubens in den Lebensaltern um ein geistliches Geschehen geht, nämlich die leibhaftige Gestaltwerdung des Glaubens im Reifungsprozeß des Lebens, der den Menschen in all seinen geistigen und geistlichen Bezügen herausfordert, weil er umfassend, also ganzheitlich »mitten in der Welt« gemeistert werden will.