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Michael Schneider
Zur Reifungsgeschichte des Glaubens in den Lebensaltern
Edition Cardo Bd. 66
ISBN 3-933001-63-3 Köln 2001 Preis: 8.00 Euro
Weil das Leben des
Glaubens im allgemeinen wie auch das geistliche Leben im engeren Sinn als
die umfassende Deutung des menschlichen Daseins angesehen werden, sind alle
Einzelerfahrungen, und wären es die geringfügigsten, in diese Deutung mit
einzubeziehen. Wahrer »Gottesdienst« meint den glaubwürdigen, in allem auf
Gott hin transparenten Glaubensvollzug im Lebensalltag: Schon das »Glas
Wasser« (vgl. Mt 10,42), in Liebe und innerer Hingabe gegeben, gereicht beim
Letzten Gericht zum Heil. Vielleicht war es ein Schwachpunkt der
überkommenen Spiritualität, daß sie zu sehr die heroischen Handlungen
bedachte, ohne die authentischen, aus dem Glauben gestalteten Grundhaltungen
im kleinen zu fördern. Wer treu ist im kleinen, wird in das Himmelreich
eintreten. Franz von Sales schreibt hierzu: »Es gibt Menschen, die in ewiger
Sehnsucht sich nach der Sternenhöhe
der Vollkommenheit
verzehren. Wie töricht! ... Wir verlangen manchmal so sehr, Engel zu sein,
daß wir darüber vergessen, gute Menschen zu sein. Wenn du die kleinen
Gelegenheiten mit Liebe benutzest, wirst du Gottes Herz erobern, es dir ganz
zu eigen machen. Jene täglichen Liebeswerke, jener Schnupfen, jenes Kopfweh,
jene Zurücksetzung, jene wunderliche Laune deines Mannes, deiner Frau, ein
zerbrochenes Glas, ein verlorener Handschuh, die kleine Ungemächlichkeit,
etwas früher schlafen zu gehen und früher aufzustehen, wenn du zur Kirche
gehen sollst, kurz, alle derartigen geringfügigen Beschwernisse mit Liebe
aufgenommen und umfangen, gefallen Gott in hohem Maße. Wie groß ist doch die
Torheit derer, die sich nach einer Marterkrone in Indien sehnen und sich gar
nicht sonderlich angelegen sein lassen, ihre Standespflichten zu erfüllen!
Mag eine Person Wunder wirken im Gebiet der Religion - wenn sie ihre Pflicht
im Alltag nicht tut, ist sie schlechter, als wenn sie ungläubig wäre.«
Es bedarf einer
Spiritualität der kleinen Schritte und Vollzüge, die als solche von allen
Christen zu erfüllen sind. Ein kontemplativer Lebensstil im dargelegten Sinn
ist ein ganzheitlicher Vollzug, der alle Lebensbereiche des Glaubens umfaßt
und deren Integration anstrebt. Dies bedeutet für unsere Fragestellung, daß
es in der Ausformung des eigenen Glaubens in den Lebensaltern um ein
geistliches Geschehen geht, nämlich die leibhaftige Gestaltwerdung des
Glaubens im Reifungsprozeß des Lebens, der den Menschen in all seinen
geistigen und geistlichen Bezügen herausfordert, weil er umfassend, also
ganzheitlich »mitten in der Welt« gemeistert werden will.
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