Im Monat Juni2015

Das Buch des Monats - Kommentiert von Michael Schneider

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Johannes Brantl, Hans-Georg Gradl, Mirijam Schaedt, Werner Schüßler (Hgg.),

Das Gebet - »die Intimität der Transzendenz«,

Echter Verlag: Würzburg 2014 ISBN 978-3-429-03699-7

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In dem vorliegenden Buch zur Theologie des christlichen Gebetes, das im Untertitel mit einem Wort von V.E. Frankl als »die Inimität der Transzendenz« (V.E. Frankl) bestimmt wird, geht es vor allem um die Frage einer verantwortbaren Praxis des Gebetsvollzugs vor dem Forum der kritischen Vernunft. Das christliche Gebet ist spätestens seit Immanuel Kant »dem Denken fremd und das Denken dem Beten feind« geworden, »weil über das Beten - nicht etwa zu viel, sondern - zu wenig gedacht worden ist« (G. Ebeling). Werner Schüßler sucht das Gebet zum Thema philosophischer Überlegungen zu machen, indem er die metaphysischen und erkenntnistheoretischen Rahmenbedingungen sinnvollen Betens darlegt: »Wie ich Gott denke, das hat entscheidende Konsequenzen für das Gebetsverständnis« (22); da sich die Beziehung zu Gott ohnehin in jedem Gebet vertieft bzw. sogar verändert, ist nach Auffassung des Autors jedes Gebet immer schon eine sinnvolle Hilfe: »Beten verändert den Menschen immer - wenn er richtig’ betet; es verändert nämlich sein Verhältnis zu Gott, und darauf kommt es wesentlich an« (48). Immanuel Kant bleibt das Gebet nur ein »abergläubischer Wahn«, »ein Fetischmachen«, das den Menschen seinen Pflichten und den wahren Geboten ausweichen läßt. Erst recht das Bittgebet ist zu einem Problem geworden, so daß in ihm »geradezu sämtliche Probleme des Gebetes kulminieren« (18); speziell geht es vor allem um die Frage der Unveränderlichkeit Gottes. Wichtige Antworten bieten sich dem Autor bei Meister Eckhart, aber auch bei Paul Tillich: »Es ist Gott selbst, der durch uns betet, wenn wir zu ihm beten« (vgl. Röm 8,26). - Hans-Georg Gradl legt an zentralen Aussagen des Neuen Testamentes dar, wie Jesus selbst gebetet hat, und vor allem, wie es schließlich dazu gekommen ist, daß die junge Kirche auch zu ihm selbst gebetet hat. Schule solchen Betens ist das Vaterunser, in ihm »lehrt Jesu(s) die Jünger nun selbst im Imperativ ein Gebet, das die richtige Gebetstheorie und -praxis illustriert« (55). - Johannes Brantl wendet sich in seinen systematischen Ausführungen speziell Simone Weil und ihrem Postulat der Aufmerksamkeit zu, nur durch sie wird der Beter in allen Dingen des Alltags die Spuren Gottes entdecken, wie die Französin schreibt: »Die kostbarsten Güter soll man nicht suchen, sondern erwarten.« So wird auch für Simone Weil das Vaterunser zu einem Gebet »mit nachhaltiger Wirkung« (111ff.). - Mirijam Schaedt, Priorin eines Benediktinerinnenklosters in Trier, betont den Aspekt der Sehnsucht, indem sie die Psalmen, die Lectio divina und das Herzensgebet bedenkt: »Dein Sehnen ist dein Gebet«.

Im Rückblick zeigt sich das Ziel aller Ausführungen, nämlich sowohl zu einem vertieften Verständnis des Gebets wie auch zu einer tieferen Gebetspraxis selbst zu führen (9).

 

Michael Schneider SJ, Frankfurt am Main