Paul Evdokimov

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»Wehe der Neugierde, die verstohlen die Mysterien Gottes betrachtet« (Gregor von Nazianz).
Kierkegaard sagte schon, dass man zwar leicht ein Gedankensystem errichten könne, aber niemals eines der Existenz. Denn im Leben bleibt immer ein irrationaler Rückstand. Einzig die kirchliche Integration vereinigt Leben und Gedanken in einer lebendigen Gotteserkenntnis, denn sie ist nicht allein Werk des Verstandes ... Das Handeln »über« wird ein Handeln »in«. »Wir besitzen den Gedanken Christi« (1 Kor 2,16), »der Geistige erfasst alle Dinge« (1 Kor 2,15).
Das Christentum ist eine Nachahmung der Natur Gottes.
Ein arabischer Dichter erzählt: Ein Mensch klopfte an die Pforte des Geliebten. Der Geliebte fragte ihn: Wer bist du? Und der Mensch antwortete: Ich bin es. Der Geliebte sprach: Gehe, es ist noch nicht Zeit, einzutreten. Nach einer langen Reise kam der Arme wie vom Feuer verbrannt zurück und näherte sich dem Haus des Geliebten. Er klopft an, der Geliebte fragt: Wer ist an der Tür? Der Mensch antwortet: Du bist es. Sagt der Geliebte: Da du nun ich bist, tritt ein.
Gott vereinigt sich nur mit Göttern, sagt Simeon.
Dem: »Der Mensch gleicht Gott«, antwortet seine Ergänzung: »Gott gleicht dem Menschen.« Gott inkarniert sich in seiner lebendigen Ikone. Aber Gott ist nicht im ihm Wesensfremden: der Mensch ist das menschliche Antlitz Gottes.
Selbst die Ekstase ist Sache der Novizen, nicht der Meister.

Mache Du, Jesus, ein Sakrament aus meinem Gebet.
Man spricht gern vom Königtum und vom Priestertum der Gläubigen, denn diese Feststellungen verpflichten zu nichts, so sehr ist ihre Bedeutung vage und zur reinen Rhetorik geworden. Aber man spricht recht wenig vom Prophetentum. In die Geschichte einbezogen, beunruhigt es. Es richtet unumstößlich durch seine bloße Gegenwart und stört jede Verschanzung im Irdischen. Und trotz dessen atmen die biblischen Schriften seinen Geist. Das Prophetentum ist das Herz des allgemeinen Priestertums.
Die geschlossene Hand ist der Tod (Léon Bloy).
Wenn etwas in dieser Welt gerettet werden muss, so ist es nicht in erster Linie der Mensch als »Sünder«, sondern die Heiligkeit Gottes, seine Heiligkeit im Menschen, das, was diesen aus dem rein Menschlichen heraushebt. Der Mensch geht nicht auf die Versöhnung, sondern auf die Befreiung aus, auf die Heilung der Wunden, die seine Gottähnlichkeit davongetragen hat.
Die Demut ist die Kunst, genau am zugewiesenen Ort zu stehen.
Dem Fleisch nach gibt es eine Mutter des Christus, dem Geiste nach aber ist er unser aller Frucht, sagt Ambrosius.
Der Mensch ist aufgerufen, zu wählen zwischen der »Beerdigung der Toten durch die Toten« und den schöpferischen Kräften der Auferstehung. Das Leben wählen heißt, zuerst in die persönliche Erfahrung des Kyrios und des Pneumas, des Herrn und des Geistes, eintreten und somit teilhaben an den schauererregenden, lebenspendenden Mysterien des Lebens. Und das heißt dann: aus dem Dogma die Liturgie erstehen lassen.
Ein Prophet sagt nicht die Zukunft voraus, aber er sieht die Ereignisse eschatologisch.

Alles christliche Leben ist ausgerichtet auf die letzten Dinge. In dieser Spannung handelt es sich nicht um die sittliche Vervollkommnung menschlicher Anstrengungen, sondern um Teilhabe am jenseitigen Handeln Gottes.