Papst Johannes XXIII

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.Man stirbt, man stirbt, und ich denke nicht daran. Jeder Schritt, den ich gehe, jede Minute, die verrinnt, bringt mich dem Tod näher. Wie viele Ideen habe ich im Kopf! Wie viele Ideale! Studium, Arbeit, ein Leben zur Ehre Christi, zum Wohle der Kirche und der menschlichen Gesellschaft. Herrliche Ziele, aber wie oft schleicht sich die Eigenliebe ein.
Herr, mache mit mir, was du willst. Auch den Tod nehme ich gern und zufrieden an, wenn es dir so gefällt. Du bist der Mittelpunkt, die Synthese, das letzte Ziel all meiner Vorhaben. Lass mich wenigstens in deiner Liebe sterben... Man stirbt, man stirbt, und ich lege Wert auf Nichtigkeiten.

Bei den geistlichen Übungen gelingt mir manchmal nichts, wenn ich mich vorher auch mit ganzer Kraft bemüht habe, innerlich gesammelt zu bleiben. Mein Herz ist wie aus Stein, ständig lasse ich mich ablenken; der Herr scheint sich verborgen zu haben. Traurigkeit und Enttäuschung überkommen mich und nehmen mir die Ruhe. Weg, nur weg mit all diesen Schwächen! Bleiben wir ruhig und froh, auch in solchen Umständen. Trösten wir uns, Gott will es so. Zunächst kommt es darauf an, dass ich mich niemals meiner Armut schäme, sondern mich im Gegenteil darüber freue, wie die Herren der Welt auf ihre berühmten Namen, Adelstitel, ihre Robe stolz sind. Ich gehöre zur Familie Christi, was verlange ich mehr?
Draußen regnet es, regnet in Strömen. Um Gottes willen, hoffentlich sinkt mein Innerstes nicht ab. Mir scheint, dass schon ein wenig Wasser darin einzudringen beginnt. Ich muss auf gewisse kleine Risse achten, die kaum zu spüren, aber verräterisch sind. Das kann ein kleines überflüssiges oder eitles Wort sein. Wehe, nach dem ersten kommt ein zweites, drittes, viertes usw. Mit den kleinen oder schlecht gebeteten Worten kommen die großen Sprüche. Widerstehe den Anfängen! Möge man von mir sagen können: »Gewaltige Wasser konnten die Liebe nicht löschen, Ströme sie nicht überfluten.«
Wie falsch ist die Auffassung, die ich mir von der Heiligkeit, der ich nachstrebe, gebildet hatte. Ich stellte mir bei meinen Handlungen, bei meinen kleinen, sofort erkannten Verfehlungen das Bild irgendeines Heiligen vor, den ich mir in allem nachzuahmen vornahm... So kam ich dahin, dass ich nie das erreichte, was ich mir eingebildet hatte, tun zu können, und das beunruhigte mich. Es ist ein falsches System. Von der Tugend der Heiligen muss ich das Wesentliche, nicht das Zufällige übernehmen. Ich muss nicht die kümmerliche und dürre Reproduktion eines, wenn auch noch so vollendeten, Typs sein.
Es ist hart, sich ein verborgenes, unbeachtetes Leben vorzustellen, vielleicht von allen verachtet und nur von Gott allein erkannt. Aber solange es mir nicht gelingt, solch einem Leben in Gleichmut entgegenzusehen, solange ich es nicht anziehend und erstrebenswert finde, tue ich nicht alles, was Gott von mir will.

Ich möchte mich einem Spezialstudium widmen. Die Vorgesetzten erlauben es nicht. Nun gut, dann verzichte ich und bleibe fröhlich. Ich möchte gerne zu Ostern die Subdiakonatsweihe empfangen. Die Vorgesetzten wollen davon nichts wissen. Also warte ich und bin dennoch fröhlich. Ich möchte, dass man mich in Ruhe ließe. Die Vorgesetzten dagegen möchten mir ein Amt auftragen, das mich zu erniedrigen scheint und meine Eigenliebe kränkt. Es ist für mich ein sehr großes Opfer zu gehorchen. Gut, um so besser, ich will gehorchen, Mut fassen und fröhlich sein im Herrn.
Ich bin jetzt mit Händen und Füßen an den Dienst Jesu Christi und seine heilige Sache gefesselt. Es darf nichts anderes für mich geben. Ich muss freudigen Herzens und ruhig meinen Aufgaben nachgehen, ohne Hast und ohne Verzögerungen, ohne Lärm, und ohne mich allzu sehr auf etwas einzulassen.
Mir liegt nichts am Urteil der Welt, auch nichts an dem der kirchlichen Welt. Der Herr weiß, dass meine Absicht gerade und rein ist. Ich bin froh, dass ich alles hinter mich geworfen habe. Mit weitem Herzen eile ich, wo Jesus mich haben will... Ich werde mich an die Aufgaben machen, als hinge alles von mir ab, und zugleich, als wäre ich selbst ohne Bedeutung.
Wir sind nicht auf der Erde, um (in der Kirche) ein Museum zu hüten, sondern um einen Garten zu pflegen, der von blühendem Leben strotzt und für eine schönere Zukunft bestimmt ist. 
Christus ist die Lösung aller Schwierigkeiten. 
Das Geheimnis (des Lebens) besteht darin, sich vom Herrn tragen zu lassen und ihn zu tragen. 
Außer dem Willen Gottes gibt es nichts Interessantes für mich. Ich muss mich davor hüten, besonders wenn die Dinge nicht so verlaufen, wie ich es gerne möchte, beim Nächstbesten mein Herz auszuschütten, besonders nicht bei jemandem, der mich geistlich nicht zu lenken vermag und mir nicht irgendwie weiterhelfen kann. 

Da Gott mich liebt, darf es für mich nichts geben, was mit Ehrgeiz zu tun hat. Es ist also unnütz, dass ich mir darüber den Kopf zerbreche. Gott kennt meine Talente und weiß, was ich alles zu seiner Ehre, zum Wohl der Kirche und für das Heil der Seelen beizutragen oder nicht beizutragen vermag. 
Das geht zu weit, es ist höchste Zeit, dass ich aufhöre, mit dem Herrn mein Spiel zu treiben. Jesus ruft mich während des Tages, ruft mich jeden Abend, bittet, beschwört mich, und ich lasse ihn allein. 
Meine größte Sorge muss sein, die wenigen mit Hilfe Gottes vollbrachten guten Taten zu verbergen. Was soll das, dieser innere Drang, alles an die Öffentlichkeit zu bringen? 
Bei jeder Zerstreuung meiner Gedanken geht etwas vom geistlichen Leben verloren. Darum auf alles achten, besonders auf die kleinen Dinge. 
Immer wenn meine Eigenliebe einen Augenblick der Zerstreutheit benützen will, um mir ihre Luftschlösser vorzugaukeln, und ich fliegen, fliegen will, dann soll es mir ein Gesetz sein, an diese drei Orte zu denken: an Gethsemani, an das Haus des Kaiphas und an den Kalvarienberg. 
Gott schaut nicht auf die Vielzahl der Handlungen, sondern darauf, wie ich sie vollbringe. Er fordert das Herz und nichts anderes. 
Die Welt bewegt sich. Es ist notwendig, mit jugendlichem und vertrauensvollem Herzen den richtigen Zugang zu ihr zu finden und nicht die Zeit mit Gegenüberstellungen zu verschwenden. Ich ziehe es vor, mit dem, der geht, Schritt zu halten, statt mich abzusondern und es zuzulassen, dass man an mir vorbeigeht. 
Geduld und Ruhe, das sind zwei schöne Eigenschaften. Immer beschäftigt zu sein und nicht unter Eile zu leiden, das ist ein Stück Himmel auf Erden. 
An meinen Brunnen kommen Menschen aller Art. Meine Aufgabe ist es, allen Wasser zu reichen. 

Wir wollen keine Gerichtsverhandlung aufziehen und wir werden nicht danach suchen, wer recht und wer unrecht hatte. Wir sagen vielmehr ganz einfach: Versammeln wir uns, und hören wir mit den Streitigkeiten auf. 
Wer glaubt, zittert nicht. 
Ich werde nun mit noch größerem Eifer studieren, aber ohne den Zweck zu verdrehen: weniger für das Examen und mehr für das Leben, so dass mir das Studium gleichsam zur zweiten Natur wird. 
Grundlage meiner apostolischen Aufgabe soll ein Leben der Innerlichkeit sein, das Bemühen, Gott in mir zu finden und zur innigen Vereinigung mit ihm zu gelangen. 
»Ich bin wie ein Vogel, der in einem Dornbusch singt.« 
Mein Wappen enthält, was mein Leben bestimmt: Oboedientia et pax.