Therese von Lisieux

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Ihr könnt nicht ein halber Heiliger sein. Es wird euch nichts übrigbleiben, als es ganz zu sein oder gar nicht. 
Die Heiligkeit besteht nicht in diesen oder jenen Übungen und Leistungen; sie besteht in einer Bereitschaft des Herzens, die uns klein und demütig werden lässt in den Armen Gottes, wissend um unsere Schwäche und bis zur Verwegenheit vertrauend auf seine Vatergüte. 

Eine Novizin zur Therese: »Wenn ich bedenke, was ich noch alles erringen muss!« Darauf Therese: »Sagen Sie doch lieber: verlieren!« 
Jesus bedarf unserer Werke nicht, sondern einzig unserer Liebe. 
Es ist große Liebe, Jesus zu lieben, ohne die Süßigkeit dieser Liebe zu spüren. 
Es ist besser, etwas an sich Gleichgültiges zu tun, als etwas an sich »Wertvolles«, wenn wir das erste liebevoller als das zweite vollbringen. 
Klein bleiben heißt: sein Nichts anerkennen, alles vom lieben Gott erwarten. 
Welch süße Freude zu denken, der Herr ist gerecht, das heißt, er rechnet mit unserer Schwachheit, er kennt genau die Gebrechlichkeit unserer Natur. Wovor sollte ich mich also fürchten? 
Wenn ich nichts empfinde, wenn ich unfähig bin, zu beten und Tugend zu üben, dann ist der Augenblick gekommen, die kleinen Gelegenheiten zu suchen, Nichtigkeiten, die Jesus mehr Freude machen, als das großmütig erlittene Martyrium. Beispielsweise ein Lächeln, ein liebenswertes Wort, wenn ich lieber nichts sagen oder gar ein verdrießliches Gesicht aufsetzen würde. 
Allein mit uns selbst? Oh, welch traurige Gesellschaft, wenn Jesus nicht dabei ist. 
Auf die Frage, ob sie irgend welche Eingebungen habe: »Eingebungen? Wenn Sie wüssten, in welcher Armut ich stecke!« 
Die Liebe allein ist die Triebkraft der Glieder der Kirche. Wenn die Liebe erlöschen sollte, würden die Märtyrer sich weigern, ihr Blut zu vergießen. 
Ich bin dahin gelangt, nicht mehr leiden zu können, weil jedes Leiden mir süß geworden ist. 

Es ist leicht, Jesus zu gefallen, sein Herz zu entzücken. Man muss ihn nur lieben, ohne auf sich selbst zu schauen, ohne seine eigenen Fehler allzu genau zu untersuchen. 
Glauben wir nicht, wir könnten lieben, ohne zu leiden. 
Ich wünsche mir nicht die fühlbare Liebe, es genügt mir, dass sie für den Herrn fühlbar ist. 
Nie habe ich für mich außergewöhnliche Gnaden begehrt. Ich habe kein anderes Mittel, als Blumen zu streuen, das heißt, keines der kleinen Opfer, keinen Blick, kein Wort mir entgehen zu lassen, auch die kleinsten Taten zu beachten und sie aus Liebe zu vollbringen.
Gott weckt keine Wünsche, die er nicht erfüllen kann. 
Ich versichere dir, Gott ist viel gütiger, als du glaubst... Da Gott so großzügig zu mir ist, möchte ich es auch ihm gegenüber sein... Verstehen wir es also, diesen Gott, der um unsere Liebe bettelt, festzuhalten. 
Wenn man liebt, dann zählt man nicht. 
Jetzt habe ich nur noch den einen Wunsch, nämlich Jesus bis zur Verrücktheit zu lieben ... Meine kindischen Wünsche sind verflogen. 
Ich habe immer danach verlangt, eine Heilige zu werden. Aber wenn ich mich mit den Heiligen verglich, stellte ich nimmer fest, dass zwischen ihnen und mir derselbe Unterschied besteht wie zwischen einem Berg, dessen Spitze sich in die Himmel verliert, und dem unauffälligen Sandkorn, das unter den Füßen der Vorübergehenden zertreten wird. Anstatt mutlos zu werden, sagte ich mir: Gott kann keine unerfüllbaren Wünsche eingeben; also kann ich trotz meiner Kleinheit nach Heiligkeit streben. Mich größer machen ist unmöglich. Ich muss mich ertragen, wie ich bin, mit all meinen Unzulänglichkeiten. 

Nie machte ich es wie Pilatus, der sich weigerte, die Wahrheit zu hören. Immer wieder habe ich Gott gesagt: »Mein Gott, ich bin sehr darauf bedacht, dich zu hören. Ich bitte dich, antworte mir, wenn ich dich demütig frage: Was ist Wahrheit? Mach, dass ich die Dinge sehe, wie sie sind, und dass nichts mir Sand in die Augen streut.« 
Alles habe ich weggegeben! ... Leicht laufe ich. 
Gewöhnlich gibt Jesus sein Licht nach und nach. 
Die Vollkommenheit besteht darin, Seinen Willen zu tun, zu sein, was Er will, dass wir seien... Jetzt leitet mich allein die Hingabe. Ich habe keinen anderen Kompass! 
Was Jesus verletzt, was ihn zutiefst verwundet, ist der Mangel an Vertrauen. Wir dürfen nicht weinen wie jene, die keine Hoffnung haben. 
Ich habe mich bemüht, meine Minderwertigkeit zu lieben... dadurch wurde sie mir angenehm wie alles übrige ... Ich bin die Schwäche selbst ... Wie klein ist die Zahl derer, die einwilligen zu fallen, schwach zu sein, die zufrieden sind, am Boden zu liegen und von den anderen dabei überrascht zu werden. Warum darüber erschrecken, dass du dieses Kreuz nicht tragen kannst, ohne schwach zu werden? Jesus ist auf dem Weg zum Kalvarienberg dreimal gefallen. 
Es kommt vor, dass Gott gewissen Menschen trotz all ihrer Anstrengungen Schwachheiten lässt, weil es für sie sehr schädlich wäre, sich tugendhaft zu fühlen... Gewöhnlich lässt Gott es zu, dass wir an denselben Schwächen leiden, die uns an anderen missfallen haben ... Dann ist es ganz natürlich, dass wir die Fehler entschuldigen, in die wir selbst gefallen sind. 
Das Gebet ist die Zeit Gottes; man darf sie ihm nicht wegnehmen. 
Gottes Wille setzt sich trotz der Eifersucht der Menschen durch.