Thomas von Kempen »Nachfolge Christi«

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»Wer mir nachfolgt, wandelt nicht in Finsternis.« Das sind Christi eigene Worte, mit denen Er uns ermutigt, seiner Lebensart getreulich nachzufolgen, sofern wir wahrhaft im Lichte wandeln... So muss es also unser höchstes Streben sein, uns in die Betrachtung des Lebens Jesu Christi zu versenken.
Gescheite Worte machen dich nicht zum Heiligen und nicht zum Gerechten, aber ein Leben der Tugend macht dich zu Gottes Freund.
Sicher wird es am Jüngsten Tag nicht heißen: Was habt ihr gelesen? sondern einzig: Was habt ihr getan? Und nicht: Wie geistreich waren deine Worte? sondern nur: Wie gottgefällig war dein Leben?
Nimm dir die rechte Zeit, um dir selbst zu gehören, und versenke dich oft in Gottes Liebe und Gnadenfülle.
Wer für dich ist oder gegen dich, darauf lege kein großes Gewicht; einzig danach eifere und darum sorge dich, dass Gott in allem, was du tust, bei dir ist.
Zuerst halte dich selbst im Frieden, dann wirst du anderen den Frieden schenken können! Ein Mensch, der den Frieden in sich trägt und ihn ausstrahlt, hat mehr zu bedeuten als ein großer Gelehrter.
Du bist ein Meister darin, dein Tun zu entschuldigen und zu beschönigen, bei deinem Nächsten aber lässt du keine Entschuldigung gelten. Besser wäre es, du wolltest dich verklagen und deinen Bruder verteidigen. Willst du Last sein, so sei auch Träger!
Zuvörderst richte deinen Eifer auf dich selbst, dann erst hast du das Recht, auch deinen Nächsten damit zu bedenken! 

Nur kurz ist die Ehre, die Menschen vergeben und empfangen. Die Ehre der Güte in ihrem Gewissen, nicht im Munde der Menschen. Eine tiefe Ruhe trägt der im Herzen, der sich weder aus Lob noch aus Tadel etwas macht. Wer ein reines Gewissen hat, wird leicht zufrieden und friedvoll sein. Das Lob macht dich nicht besser, der Tadel nicht schlechter. Wie du bist, so bist du; und man kann dir keinen größeren Namen geben, als den du vor Gottes Angesicht trägst.
Wenn du darauf achtest, was du vor dir selbst in deinem Innern bist, dann wirst du dich nicht darum kümmern, was die Menschen von dir sprechen. Der Mensch sieht in das Gesicht, »Gott aber sieht ins Herz«. Vor den Menschen gelten die Taten, vor Gott die Gesinnung.
Schnell bist du ein Opfer des Trugs, wenn du die Menschen nur nach ihrer äußeren Erscheinung beurteilst; suchst du nämlich Tröstung und Gewinn für dich bei anderen, so wirst du zu oft nur den Schaden spüren. Suchst du in allem Jesus, so wirst du Jesus sicher finden! Suchst du aber dich selbst, so wirst du freilich auch dich selbst finden, doch zu deinem eigenen Schaden! Denn mehr als die ganze Welt und all seine Feinde schadet der Mensch sich selbst, wenn er Jesus nicht sucht.
Wenn du das Kreuz willig trägst, dann wird es auch dich tragen.
Alle muss man lieben um Jesu willen, Jesus aber um Seiner selbst willen. Jesus Christus allein muss man ganz besonders lieben.