Wüstenväter

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Abt Theodor sagte: Viele wählen in dieser Welt die Ruhe, bevor Gott sie ihnen gewährt. 
Abt Hyperichius sagte: »Jeder ist wahrhaft weise, der andere durch seine Tat, nicht durch seine Worte belehrt«. 
Lehre dein Herz halten, was es andere lehrt. 
Der Altvater Antonius sprach: »Es kommt eine Zeit, in der die Leute närrisch werden, und wenn sie einen sehen, der kein Narr ist, dann stehen sie gegen ihn auf und sagen: du rasest! Deswegen, weil er ihnen nicht ähnlich ist.« 
Der selige Antonius pflegte zu sagen: Die Altväter der Vorzeit begaben sich in die Wüste und machten nicht nur sich selber gesund, sondern wurden auch noch Ärzte für andere. Wenn aber von uns einer in die Wüste geht, dann will er andere früher heilen als sich selbst. Und unsere Schwäche kehrt zu uns zurück, und unsere letzten Dingen werden ärger als die ersten, und daher heißt es für uns: Arzt, heile dich vorher selber! (Lk 4,23). 
Der Altvater Antonius sprach zum Altvater Poimen: »Das ist das große Werk des Menschen, dass er seine Sünde vor das Angesicht Gottes emporhalte und dass er mit Versuchung rechne bis zum letzten Atemzug.« 
Derselbe sagte: »Keiner kann unversucht ins Himmelreich eingehen. Nimm die Versuchung weg, und es ist keiner, der Rettung findet.« 
Da sagte Abbas Poimen: Da ist ein Mensch, der scheint zu schweigen, aber sein Herz urteilt und verurteilt andere. Ein solcher redet in Wirklichkeit ununterbrochen. Und da ist ein anderer, der redet von der Frühe bis zum Abend, und doch bewahrt er selbst das Schweigen, das heißt, er redet nichts Nutzloses. 

Ein Bruder fragte den Altvater Poimen: »Ist Reden besser als Schweigen?« Der Greis antwortete ihm: »Wer Gottes wegen redet, tut gut daran, wer Gottes wegen schweigt, tut ebenso gut.«
Als einmal an einem Festtage nach einem Gottesdienst die Brüder in der Kirche speisten, sagte einer von ihnen zu den Tischdienern: Da ich (aus Enthaltsamkeit) nichts Gekochtes esse, lasst mir Salz bringen! Der Bruder, der dies gehört hatte, rief den übrigen laut zu, sie möchten jenem Bruder, da er nichts Gekochtes genieße, Salz bringen. Hierauf sagte der selige Theodor: Besser wäre es gewesen, du hättest in deinem Kellion Fleisch gegessen, als vor den Brüdern hier ein solches Wort hören zu lassen. 
Der Greis sprach: Wolle lieber belehrt werden als lehren. Derselbe sagte: Lehre nicht vor der Zeit, sonst wirst du dein ganzes Leben nicht verständig! 

Jemand erzählte: Drei Studierende, die sich liebten, wurden Mönche, und jeder von ihnen nahm sich ein gutes Werk vor. Der erste erwählte dies: er wollte Streitende zum Frieden führen. Der zweite wollte Kranke besuchen. Der dritte ging in die Wüste, um dort in Ruhe zu leben. Der erste, der sich um die Streitenden mühte, konnte doch nicht alle heilen. Und von der Verzagtheit übermannt, ging er zum zweiten, der den Kranken diente, und fand auch den in gedrückter Stimmung; denn auch er konnte sein Vorhaben nicht ganz ausführen. Sie kamen daher überein, den dritten aufzusuchen, der in die Wüste gegangen war, und sie erzählten ihm ihre Nöte und baten ihn, er möge ihnen aufrichtig sagen, was er gewonnen habe. Er schwieg eine Weile, dann goss er Wasser in ein Gefäß und sagte ihnen, sie sollten hineinschauen. Das Wasser war aber noch ganz unruhig. Nach einiger Zeit ließ er sie wieder hineinschauen und sprach: »Betrachtet nun, wie ruhig das Wasser jetzt geworden ist.« Und sie schauten hinein und erblickten ihre Gesichter wie in einem Spiegel. Darauf sagte er weiter: »So geht es dem, der unter den Menschen weilt: Wegen Unruhe sieht er seine Sünden nicht.«