7. Das Talent Zeit

Zum Schluss sollen noch einige praktische Fragen und Probleme im Umgang mit der Zeit angesprochen werden. Vor allem soll es dabei um das persönliche Zeitmanagement gehen.
Das Zeitmanagement boomt augenblicklich, es wird von einem Drittel der Befragten als der größte Bildungsbedarf angesehen.[48] Von Lothar Seiwert, dem profiliertesten Zeitmanagement-Experten Deutschlands, wurden bisher zwei Millionen Bücher in 20 Sprachen verkauft und mehr als 100.000 Menschen im Umgang mit der Zeit geschult. Sein Resümee: »Höchstens fünf Prozent aller Leute gehen noch zeitgemäß mit ihrer Zeit um.« Werden die Grundthesen seines neuen Zeitmanagements zusammengenommen, lassen sich vor allem drei Grundsätze hervorheben: 
1. Jeder Mensch braucht seine ihm eigene, maßgeschneiderte Zeitstrategie. 
2. Im Zeitmanagement bedarf es eines geschickten Wechsels von Schnelligkeit und Langsamkeit.

3. Es gilt, das eigene Zeitverhalten zu erkennen und es mit der persönlichen Lebenseinstellung auszugleichen. Dies wird nur gelingen, wenn der einzelne immer wieder mit sich selbst ins Reine zu kommen sucht und auf das eigene Innere hört und achtet. 
Ähnliche Ratschläge finden sich bei dem Mitbegründer des weltgrößten Management-Schulungskonzerns Franklin Covey. In seinem Buch »Die sieben Wege zur Effektivität«, das in 13 Millionen Exemplaren verkauft wurde, legt er dar, dass es in der persönlichen Zeitplanung nicht bloß um eine rein äußere Bewältigung von Terminen und zeitlichen Verpflichtungen geht, sondern vor allem um die Verwirklichung der ureigenen Prinzipien und Werte.
Deshalb sein Ratschlag, sich zunächst die eigene Grabrede zu verfassen. Kaum einer wird an seinem Grab darüber klagen, dass er zu wenig Zeit im Büro oder in Vorlesungen verbracht hat ... So verbringen viele Menschen die meiste Zeit mit Dingen, die zwar dringend, jedoch keineswegs wichtig sind. An die oberste Stelle der eigenen Terminplanung gehören die persönlichen Lebensziele! Was für ihre Verwirklichung und Durchführung entscheidend ist, soll wenigstens im Wochenplan stehen: der Arztbesuch, der Besuch eines Freundes, Zeit zum Nachdenken ... Sind die eigenen Lebensziele klar, lassen sich die Alltagstermine gezielter in ein Schema einordnen, das zwischen wichtig (=Lebensziel) und dringend (=Terminsachen) unterscheidet. Zuerst sind jene Termine in der Tages- oder Wochenplanung zu verankern, die wichtig, aber nicht dringlich sind. 

Um bei dieser Bewertung zwischen »wichtig« und »unwichtig« immer wieder die Übersicht und die nötige Distanz wahren zu können, kommt es gerade bei Zeitdruck auf eine intelligente Schnell-Langsam-Balance an. Nicht umsonst wird an der Börse eine Handelspause eingelegt, wenn sich ein Kurs zu dramatisch entwickelt. Nicht anders bedarf es auch in der persönlichen Lebens- und Zeitplanung immer wieder solcher Augenblicke des Innehaltens. 
Bei der Durchführung dieses Bewertungsschemas für die einzelnen Termine, die anstehen und erledigt werden sollen, lautet der Rat der Experten im Zeitmanagement wie folgt: 

* Genügend Zeit für Pausen zwischen den einzelnen Tätigkeiten lassen. 
Es gehört zu einem gesunden Lebensstil und einem geistlichen Umgang mit der Zeit, dass die einzelnen Termine, Begegnungen und Ereignisse nicht nur abgehakt werden, um dann gleich zu den nächsten übergehen zu können, sondern dass es Augenblicke des Verweilens und Nachkostens gibt. Nach einem Telephonat lege ich nicht gleich den Hörer auf und gehe meiner Arbeit nach, sondern spreche ein kurzes Gebet für den, der mich gerade angerufen hat. Kehre ich aus einer Vorlesung zurück auf mein Zimmer, kann ich mich kurz fragen, was sie für mich, mein Leben und meinen Glauben bedeutet. Auch die Visitatio kommt aus einem ähnlichen Anliegen, nämlich während des Tages öfters einmal vor Gott innezuhalten und ihm das Erlebte entgegenzubringen, denn er ist ja die Quelle unseres Lebens, der wir uns Stunde für Stunde verdanken. Ein weiterer Grund für die Notwendigkeit solcher Pausen ergibt sich aus den »Gegenständen« des geistlichen Lebens. Die Eucharistiefeier ist der Höhepunkt und die Quelle christlichen Lebens, deshalb bedarf es immer vor und nach der Feier der Heiligen Messe einer Zeit der Bereitung auf die Erfahrungen, die man bei der Mitfeier machen wird bzw. gemacht hat.


* Möglichst täglich zu einem festen Termin eine stille Zeit zum Nachdenken und Innehalten vorsehen.
Neben den üblichen Zeiten, die man sich für die geistlichen Übungen wie Gebet und Meditation vornimmt, kann es andere feste Zeiten und Gewohnheiten geben, die zu einem geistlichen Umgang mit der Zeit gehören. Morgens kann man den Tag damit beginnen, dass man sich den Terminkalender vornimmt und betend den Situationen und Menschen entgegengeht, die heute auf einen zukommen. Dann ist man im Gebet schon bei ihnen, bevor sie eingetroffen sind. Nicht anders verhält es sich mit einer festen Zeit am Samstag, wenn man auf die vergangene bzw. kommende Woche schaut.

* Einen neuen Tag in Ruhe am Vorabend durchdenken. 
Gemäß den Ratschlägen der Zeitmanager geht es in der abendlichen Besinnung darum, sich nochmals zu fragen, ob der Tag mit den eigenen Lebenszielen übereingestimmt hat und was morgen vielleicht zu korrigieren ist. Außerdem kann man nochmals all der Menschen gedenken, denen man ein solches Gedenken (im Gebet) versprochen hat; dabei kann ein Zettel mit der Liste der entsprechenden Namen hilfreich sein.

* Höchstens die Hälfte des Tages fest verplanen, um für Unvorhergesehenes frei zu sein. 
Regelmäßig liebgewordene Zeitrituale pflegen (morgendliches Zeitunglesen, Teepause um 15 Uhr) und immer wieder auch etwas tun, bei dem Zeit »verschwendet« wird (Musizieren, Malen, Spazieren gehen). Was man vom »Feierabend« erwartet, kann man in kleinen Augenblicken auch während des Tages »feiern«, beispielsweise dass eine Arbeit gut abgeschlossen oder eine schwierige Situation gemeistert wurde usw.


* Jeden Tag mindestens 20 Minuten an etwas arbeiten, wofür viele meist »keine Zeit« haben: Ablage, Papierkram, Aufräumen. 
Hierzu gehört, dass man sich fixe und regelmäßige Zeiten für die Erledigung der Post vornimmt oder für die Telephonate, die zu erledigen sind, damit einem die wichtigen Kontakte etc. (vor allem auch die nötigen Gelegenheiten zur persönlichen Fortbildung wie das Erlernen einer Sprache oder einer Fertigkeit) aufrecht erhalten bleiben.